Fürstenfeld – eine Stadt im Grünen?

Können wir uns die herrschende Bauwut leisten?

In den Fürstenfelder Nachrichten vom September 2020 war auf Seite 2 unter dem Titel „Fürstenfeld eine Stadt im Grünen“ eine Aufstellung mit Grafik über die Flächennutzung des heutigen Gemeindegebietes von Fürstenfeld. Die Zahlen sind nicht ganz aktuell, stimmen aber im Großen und Ganzen.

Nun, dass Fürstenfeld von vielen Äckern, Wiesen und Wäldern umgeben ist, ist natürlich schön für die Stadt und ihre Bewohner. Das gilt aber nicht nur für Fürstenfeld, sondern für alle Städte in Österreich. Die Österreicher/innen dürfen zu ihrem Glück in einem Land leben, das von sehr viel Grün geprägt ist und jede Stadt in unserem Land hat derzeit noch einen Grüngürtel.

 

Aber wie lange noch?

Wenn man den, die Tabelle, erklärenden Text liest, könnte man meinen, bei über 85 % Grünflächen, Wald und Wasser und „nur“ vergleichsweise so wenig Bauland, Verkehrsanlagen und anderen verbauten Flächen (ca. 13 %) wäre noch genügend Platz, um einige Dutzend Hektar ( ca. 80 ha lt. FWP) zusätzlich verbauen zu können. Das würde der derzeit herrschenden Bauwut in Fürstenfeld durchaus entgegenkommen.

Leider ist das ein großer Irrtum!

 

  1. Grüngürtel als willkommenes Bauland

Fürstenfeld hat diesen eigenen Grüngürtel erst seit der Gemeindezusammenlegung. Vor dieser hatten fast alle größeren Märkte und Städte der Steiermark das Problem, dass auf ihrem eigenen Gemeindegebiet schon so ziemlich alles verbaut war, was zu verbauen ging. Es mussten dringend neue Flächen her. Da kam die Reform der Gemeindestrukturen gerade recht, auch in Fürstenfeld. Der Flächenzuwachs wird seither zum Schaffen neuer Bauflächen missbraucht und der Grüngürtel verschwindet langsam.

Dafür stehen in der Stadt selbst Häuser, Wohnungen und Betriebsflächen ungenützt und leer. Gebaut wird nur deshalb, damit die Immobilienmakler und Baufirmen profitieren.

 

  1. Sicherung der Versorgung mit Nahrungsmittel

Wie jede größere Ansiedlung ist auch Fürstenfeld auf die Versorgung mit den notwendigen Nahrungsmitteln durch ihr Umland angewiesen.

Sieht man sich die österreichische Versorgungsbilanz für Nahrungsmittel an, so erzeugen unsere Bauern in einigen Bereichen Überschüsse und es muss exportiert werden (z. B. bei Rindfleisch, Milchprodukte oder Zucker), bei wenigen Produkten halten sich Erzeugung und Verbrauch ungefähr die Waage (z.B. Schweinefleisch, Getreide).

Bei vielen Nahrungsmitteln haben wir jedoch zu wenig. Um die österreichische Bevölkerung, wie gewohnt, gut versorgen zu können (inkl. der vielen weggeworfenen Nahrungsmittel!) sind wir auf Importe angewiesen.

Sollten Importe einmal nicht möglich sein, können derzeit unsere heimischen Bauern die Grundversorgung zu unserem Glück noch immer absichern. Dazu stehen nach der letzten Flächennutzungserhebung 2019 vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen jedem/r Österreicher/in im Durchschnitt 2.826 m² an Acker- und Wiesenfläche zur Verfügung. Das entspricht ziemlich genau dem, was auch die Gemeinde Fürstenfeld jedem/r Fürstenfelder/in an Fläche für die heimische Nahrungsmittelerzeugung noch bieten kann, nämlich 2.902 m² pro Person.

Anders gesehen heißt das aber auch, dass wir keine Flächen zu viel haben, die wir an die profitorientierten Immobilienmakler und die Bauindustrie verschwenden dürfen, wenn wir in Zukunft unsere gewohnte Lebensmittelversorgung aus der Umgebung sicherstellen wollen.

Städte haben schon immer ein intaktes Umland gebraucht, um sich versorgen zu können. Das ist umso wichtiger, je größer sie sind. Es muss daher in ihrem eigenen Interesse liegen, dieses Umland auch zu erhalten!

 

  1. Erhaltung einer lebenswerten Umwelt

Es ist schon fast müßig zu sagen und muss trotzdem immer wieder wiederholt werden: Der Mensch ist ein Teil der Natur und kann nur im Einklang mit der Natur überleben!

Die letzten Jahrzehnte waren geprägt durch die Ausbeutung unserer Erde im Großen wie im Kleinen. Klimakrise, Umweltzerstörung, Corona-Pandemie usw. zeigen uns immer deutlicher die Grenzen dieser Entwicklung auf – nur die davon profitieren, wollen diese nicht sehen!

Unsere Grünflächen liefern eben nicht nur Nahrung, sie reinigen und speichern auch unser Trinkwasser, sorgen für Temperaturausgleich, speichern das klimaschädliche CO2, entstauben unsere Luft, sind unser Lebens- und Erholungsraum und vieles andere mehr. Sie zu zerstören und nur als willkommene Baufläche zu nutzen, zeugt von kompletter Unwissenheit und/oder Ignoranz der Zusammenhänge.

 

  1. Wertewandel notwendig

Leider messen viele Bürgermeister/innen – nicht nur der Fürstenfelder – ihren Erfolg hauptsächlich daran, wieviel m² Grünfläche sie zu Gebäuden, Verkehrsflächen, Betriebsflächen etc. verbaut und damit vernichtet haben. Das können sie vorzeigen und dafür werden sie geehrt. In Zukunft muss genau das Gegenteil passieren: Diejenigen Bürgermeister/innen, die unsere Lebensumwelt und damit unsere langfristige Zukunft am besten schützen und erhalten, die sollten als Vorbild dienen.

Denn: Zerstören kann ein jeder – Erhalten ist aber eine schwierige Aufgabe!

 

  1. Was fordert die BILF?
  • Schutz des Grüngürtels um die Stadt vor sinnloser und profitorientierter Verbauung
  • Leerstandserhebung für brachliegende Wohnungen, Wohnhäuser und Betriebsobjekte im Stadtgebiet
  • Reaktivierung von Leerständen anstatt Verbauung der, für unsere Nahrungsmittelversorgung wertvollen landwirtschaftlichen Nutzflächen
  • Anreize finanzieller und/oder organisatorischer Natur zur Wiederbelebung von Leerständen

 

  1. Weiterführende Informationen

https://www.umweltbundesamt.at/umweltthemen/boden/flaecheninanspruchnahme

https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/themen/boden/bodenverbrauch_oesterr_2019.pdf

https://www.2000m2.eu/de/worum-gehts/

https://drive.google.com/file/d/1aOCFfYj-ED56T6JL_50MYVVQ8bz0MBnh/view?usp=sharing