Offener Brief an den Bürgermeister

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister!                                                                                      

Die Gemeinderatswahl 2020 ist vorbei und sie hat in Fürstenfeld ein eindeutiges Ergebnis gebracht: gegenüber der letzten Gemeinderatswahl hat die ÖVP 36,23 % (das ist mehr als ein Drittel) ihrer Stimmen verloren (2015: 3447 Stimmen; 2020: 2198 Stimmen) und das bei einem österreichweiten Trend zur ÖVP. Das Ergebnis zeigt eindeutig, dass sehr viele FürstenfelderInnen in keiner Weise mit der Politik, welche die Stadt-ÖVP unter ihrer Leitung, Hr. Bgm. Jost in den letzten 1 ½ Jahren betrieben hat, zufrieden sind. Sie haben - aber nur weil Fürstenfeld schon immer eine „schwarze“ Stadt war - gerade noch mit 52,3 % die Mehrheit erreicht. Das war eine verdiente „Watschn“, die Sie von den Wählern bekommen haben.

Wenn Sie so weitermachen, wie bisher - wie Sie es diversen Medien gegenüber angekündigt haben - wäre das ein Regieren gegen den eindeutigen Willen der Bevölkerung.

In den zahlreichen Werbemitteln, die Sie kurz vor der GR-Wahl verbreitet haben, waren u.a. Ihre Leitgedanken bzw. die Ihrer Partei lesen:

  • Wahrnehmung
  • Achtsamkeit
  • Demut
  • Respekt
  • Wertschätzung
  • Zuhören
  • Verstehen
  • Zusammenhalt

Mein persönlicher Maßstab. Mit dem ich meinen Alltag vermesse.
Unser Maßstab. Steirische Volkspartei.

Sie sollten darüber nachdenken, welche Änderungen in Ihrem Führungsstil und in Ihrem Programm sofort notwendig sind, um diesen Leitgedanken gerecht zu werden.

Die wichtigsten Missstände der vergangenen Jahre waren und sind noch immer

  • die verfehlte Baupolitik - in größenwahnsinniger Weise wird jeder Quadratmeter Acker oder Grünland zubetoniert, dessen die Gemeinde irgendwie habhaft werden konnte und kann.
  • und das katastrophale Verkehrskonzept – vor allem für ältere Menschen ohne eigenen PKW ist ein Leben in Fürstenfeld nicht gerade einfach.

Wir gehen Zeiten entgegen, wo jeder Quadratmeter unverbauter natürlicher Boden immer wichtiger für Nahrungsmittelerzeugung, Wasserhaushalt, Klimaschutz, Naturschutz und als Erholungsraum wird, kurzum als Lebensgrundlage für die Menschen, als dass dieser Boden für einen kurzfristigen Profit als Bauland für immer vernichtet werden soll. Bei uns in Fürstenfeld entstehen fast nur mehr Spekulationsobjekte, die nur dem Profit der Immobilienmakler dienen.

Es erweckt den Anschein, dass Ihnen die Auslastung von Firmen, wie Swietelsky, Schuster und Co. mehr am Herzen liegt, als das Wohl der Fürstenfelder Wohnbevölkerung.

Übrigens: Dass gerade Sie als gelernter Landwirt, Hr. Bgm. Jost, so sorglos mit landwirtschaftlichem Boden umgehen ist schon bedenklich.

Denken Sie auch daran, Hr. Bgm. Jost, dass jeder fünfte Österreicher (das gilt auch für jedes fünfte Kind) an oder unter der Armutsgrenze lebt und das ist in Fürstenfeld sicher nicht wesentlich anders. Unterstützen Sie lieber diese Menschen, als unnötig Geld zum Fenster hinauszuwerfen. Sorgen Sie dafür, dass diese Menschen brauchbare Wohnungen haben und ehrlich bezahlte Arbeit.

Sie reden immer von Geschwindigkeit in Ihrem Handeln und vergleichen die Stadtentwicklung augenscheinlich mit einem Formel-1-Rennen. Wenn Sie Geschwindigkeit suchen, probieren Sie das auf dem A1 Ring. Das hilft!

Die BILF fordert daher:

  1. Sofortige Einstellung aller Bauprojekte, bei denen neuer und intakter Boden verbraucht wird. Das gilt auch für bereits gewidmete oder aufgeschlossene Baugründe wie z. B. die Schalkgründe Bergkammstraße oder die Schalkgründe Welsdorf. Damit soll zumindest weiterer Schaden vermieden werden. Wenn jemand behauptet, dies gehe nicht, der soll sich ein Beispiel an Zwentendorf oder Hainburg nehmen. Wenn man will, geht Vieles! Ausgenommen von diesem Baustopp ist selbstverständlich die Erneuerung alter und ungenutzter Gebäude und Betriebsflächen, deren Revitalisierung wir uns ausdrücklich wünschen.  Auch andere Städte nehmen sich einmal eine „Auszeit vom Bauen“ um sich neu zu orientieren.
  2.  Sofortige professionelle Leerstanderhebung an Gebäuden und Betriebsflächen, sowie ein dazugehöriges Leerstandsmanagement, damit endlich eine ordentliche Planungsgrundlage für die zukünftige Bautätigkeit erstellt werden kann. Die Gemeinde hat mit dem Wasser- oder Stromverbrauch der Objekte alle Daten für einen raschen Überblick. Wenn es einmal eine Zeit lang keine unsinnigen Bauprojekte gibt, hat unser Bauamt vielleicht auch einmal freie Kapazitäten für Leerstanderhebungen und ein Leerstandsmanagement.   
  3. Sofortiger Beginn einer ordentlichen Raumplanung unter Einbeziehung anerkannter Fachleute aus Umwelt- und Klimaschutz.
  4. Sofortige Einbeziehung der Bevölkerung in alle Phasen aller Planungs- und Entscheidungsprozesse, angefangen von Vorentwurf, Entwurf, Ausschreibungsplanung, bis zur Detailplanung. Die FürstenfelderInnen sind durchaus mündige Menschen, die nicht immer vor vollendete Tatsachen gestellt werden wollen.
  5. Sofortige umfassende Verkehrsplanung unter Mitwirkung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit. Reduktion des Individual-PKW-Verkehrs in der Innenstadt. Lt. Untersuchungen kann 30 – 40 % des Verkehrs vermieden werden, wenn Distanzen unter 3 Kilometer in Städten zu Fuß oder mit dem Fahrrad überwunden werden. Förderungen für den Kauf von Fahrrädern aller Art (konventionelle oder E-Bikes) anstatt Geld für den Bau eines neuen Parkplatzes zu verschwenden. Es gibt in der Stadt und bei den Einkaufszentren entlang der Körmenderstraße hunderte Parkplätze, die nie vollständig ausgenutzt werden. Mit einem elektrisch angetriebenen Citybus kann man diese bequem erreichen. Einführung einer Fußgängerzone in der Innenstadt , in der man sich zu Fuß oder mit dem Fahrrad frei bewegen kann. Alle Waren, die man in der Hauptstraße zu kaufen bekommt, kann man sicherlich zu Fuß oder mit dem Fahrrad transportieren.  Prüfen der Möglichkeit, gewisse Straßen in Begegnungszonen oder Fahrradstraßen umzuwandeln, um die Lebensqualität zu erhöhen.

Denn wir FürstenfelderInnen wollen jetzt und in Zukunft in einer Stadt leben, die unseren Bedürfnissen entspricht!

Deswegen schlagen wir vor:

zuerst denken – dann handeln

 

Hochachtungsvoll

Die BILF

 

Übrigens: Glauben Sie uns, wir werden alle Möglichkeiten, die eine Demokratie bietet, ausschöpfen, um unser schönes Fürstenfeld wieder lebenswert zu machen.

 

Verteiler:
Gemeinderäte
Medien
Bilf-Community

Der offene Brief als PDF-Datei